Life Letter No. 13

Der Weg des Wassers

                                                                                                                                               © Aljoscha Blau

In einem wunderbaren Bilderbuch, das ich unseren Kindern immer wieder vorgelesen habe, versucht ein kleiner Junge, in der Schublade einer Kommode Wasser aufzubewahren. Natürlich bleibt das Wasser nicht lange in der Schublade. Tja, Kinder machen schon mal solche Sachen, denken Erwachsene.

Ein Freund von mir, mit dem ich dieser Tage lange telefonierte, erzählte mir von einem Wasserschaden in seinem Haus.  Ein nie benutzter Wasserhahn im ersten Stock, eigentlich für eine Waschmaschine gedacht, entwickelte urplötzlich ein „Durchschlagsphänomen“, wie mein Freund das nannte, und so lief das Wasser von oben nach unten durch das ganze Haus. Bücher, Schränke, Fußböden, alles zwischen schwer beschädigt und unbrauchbar.

Nun wollte sich mein Freund wegen eines bevorstehenden Umzugs sowieso von Büchern und Möbeln trennen, konnte sich aber nicht entscheiden, was er weggeben und was er behalten sollte. Vor der Mühe des Aussortierens wollte der Wasserhahn meinen Freund sicher nicht retten. Ein Wasserhahn weiß von sowas nichts. Nur, warum er sich eines Tages wie von selbst öffnete, dafür gibt es keine Erklärung.

Der Fluss des Lebens, dem wir uns anvertrauen sollen, statt mit Kontrolle unser Leben zu beherrschen, dieser Fluss, von dem der Familienaufsteller Wilfried Nelles gerne spricht, kann auch aus einem Wasserhahn kommen. Und er lehrt uns, dass wir nichts festhalten können im Leben. Dass einfach alles fließt. Das weiß doch jedes Kind.

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