Life Letter No. 25
Was ist das Künstliche an Künstlicher Intelligenz?
Die künstliche Intelligenz ist deshalb künstlich, weil natürliche Intelligenz Pausen braucht. Außerdem Essen, Trinken, Schlaf und Sex. So ist der Mensch. Er ist zu bedürftig, um dauerhaft intelligent und ohne Ende effektiv zu sein. Seine Bedürftigkeit macht ihn anfällig. Was der Mensch am allermeisten braucht, ist ein Gegenüber. Der Mensch braucht Liebe von und zu anderen.
Das ist unsere größte Schwachstelle, wir können nicht ohne andere Menschen sein. „All unser Übel kommt daher, daß wir nicht allein sein können“, schreibt der Philosoph Arthur Schopenhauer, der das Pech hatte, dass es zu seiner Zeit noch keine Familienaufstellungen gab. Es stimmt, allein gehen wir ein. Wir sind soziale Wesen, ob wir wollen oder nicht. Nun hat unsere Unfähigkeit, unser „Übel“, nicht allein sein zu können und den Gefahren des Kontakts mit anderen ausgeliefert zu sein, eine wunderbare Kehrseite: das Glück. Wenn überhaupt, dann erfahren wir nur im Zusammensein mit unseren Partnern, Kindern, vielleicht sogar unseren Eltern wahres Glück. Niemand kann uns so glücklich machen wie ein anderer Mensch. Und so unglücklich.
Das wirklich menschliche Gegenstück zur künstlichen Intelligenz ist nicht natürliche Intelligenz. Als wäre Intelligenz alles! Nein, das Gegenteil von Intelligenz ist Emotion. Gefühle wie Liebe, Freude, Wut, Trauer, alles. Fülle kommt von Fühlen. Gefühle aber sind gefährlich. Manchmal legen sie uns lahm wie ein Virus einen Computer. Manchmal beflügeln sie uns. Heute so, morgen so, Gefühle können wir nicht dauerhaft kontrollieren. Intelligenz dagegen, ob künstlich oder natürlich, strebt immer nach Kontrolle. Intelligenz geht über Wissen, Emotion geht über Vertrauen. Und vor allem über Kontakt.
Eine Familienaufstellung ist eine herausgehobene Form von Kontakt, mit anderen und mit mir selbst. In einer Familienaufstellung kann ich entdecken, wie schön es ist, emotional bedürftig zu sein - und intelligent. Beides macht den Menschen aus.
