Life Letter No. 20

Sind harmlose Schleierwolken wirklich harmlos?

Als ich neulich mit dem Hund spazieren ging und in den Himmel sah, da dachte ich an den Wetterbericht. Harmlose Schleierwolken hatte er vorhergesagt. Und da oben waren sie, die harmlosen Schleierwolken. Mir fiel mir auf, dass in allen Wetterberichten Schleierwolken immer als harmlos bezeichnet werden. Ich versuchte, mich für einen Moment in eine Schleierwolke hineinzufühlen und spürte, dass sie auf keinen Fall harmlos genannt werden wollte.

„Ich bin auch nicht gefährlich“, gab sie mir zu verstehen, „das ist so oder so die völlig falsche Zuschreibung. Ist denn eine Wolke gefährlich, nur weil sie Regen bringt? Warum könnt ihr mich nicht einfach schöne Schleierwolke nennen? Harmlos, da fühle ich mich einfach nicht wertgeschätzt.“

Mehr hörte ich nicht von ihr. War auch genug, um mich zum Nachdenken zu bringen. Wie hartnäckig wir manchmal über viele Jahre hinweg die gleichen Formulierungen und die gleichen Beiwörter verwenden. Beispiel Familie, da höre ich solche Sätze: Ich hatte eine wirklich unglückliche Kindheit. An meiner schweren Kindheit trage ich noch heute. Ja, das war unsere problematische Vater-Tochter-Beziehung.  Eine harte Zeit war das für mich, mit meinen Eltern und Geschwistern.

Unglücklich, schwer, problematisch, hart. Wörter und Urteile, die sich über Jahre in uns eingegraben, an die wir uns gewöhnt haben. Aber stimmen diese Zuschreibungen heute noch? Wir verändern uns, manchmal unmerklich. Wenn ich beispielsweise mein Leben lang daran festgehalten habe, dass ich eine glückliche Kindheit hatte, darf ich mich eines schönen Tages ruhig fragen, ob das wirklich so war.

Vielleicht war meine Kindheit so wenig glücklich, wie eine Schleierwolke harmlos ist. Nur, wenn ich mit immer den gleichen Worten und den gleichen Gefühlen urteile, dann werde ich meine Vergangenheit nicht richtig sehen und wertschätzen können. Was immer da war, ob positiv oder negativ, es hat mich geprägt. Es hat mich zu dem gemacht, der ich bin. Und das ist doch was. Vielleicht ist es Zeit, einen neuen Blick auf mich und meine Vergangenheit zu werfen.  Mit neuen Wörtern, neuen Gefühlen. Eine Familienaufstellung bietet dafür eine gute Gelegenheit. Ich freue mich auf Anmeldungen unter kontakt@dieter-sdun.de

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