Life Letter No. 22

Wie viel Wut tut gut?

Als ich vor ein paar Tagen morgens, nach schlechten Träumen, das Brodeln in meinem Wasserkocher beobachtete, dachte ich mir, so sieht also Wut aus. Was für eine Kraft! Was für eine Gefahr! Wut ist ein merkwürdiges Gefühl, wir scheinen entweder zu viel davon zu haben oder zu wenig.

Kann ich beim kleinsten Anlass förmlich platzen vor Wut? Leiden die Menschen um mich herum an meinen Wutausbrüchen? Was empfinde ich nach dem Siedepunkt, Ruhe oder Reue? Oder bin ich umgekehrt jemand, der nie Wut empfindet? Der seine Gefühle lieber unterdrückt und damit immer alles unter Kontrolle hat? Aber, erfüllt mich das? Wie viel Wut tut mir gut?

Menschheitsgeschichtlich hatte sichtbare Wut den Zweck, Feinde einzuschüchtern und abzuschrecken, damit es gar nicht erst zum Kampf kommt. Was aber, wenn ich so viel Angst vor einer Auseinandersetzung habe, dass ich sofort klein beigebe und dem anderen seinen Willen lasse? Manche sind traurig und wären besser wütend. Manche sind wütend und könnten ihre Energie besser nutzen, für sich. Wie mache ich das, dass ich in Auseinandersetzungen mit anderen nicht überkoche, mich aber auch nicht zu schnell geschlagen gebe und Kompromisse eingehe, die mir auf Dauer schaden?

Eine Aufstellung hilft, mich kennenzulernen und das Brodeln in mir entweder zu wecken oder es zu dosieren. Je besser ich weiß, wer ich bin, desto besser komme ich mit den anderen klar.

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Life Letter No. 21