Life Letter No. 4

Was ist das Zweitwichtigste im Leben?

Wenn ich diese Frage lese, dann frage ich mich als erstes: Und was ist das Wichtigste im Leben? Das ist überraschend leicht zu beantworten: Essen, Trinken, Wohnen, Sex. Unsere physiologischen Grundbedürfnisse. Die sind, nach der bekannten Bedürfnispyramide von Maslow, die Grundlage unseres Lebens. Das Zweitwichtigste, noch lange vor Liebe, Wertschätzung, Kunst oder Selbstverwirklichung ist Sicherheit. Was für ein beruhigendes Gefühl, sicher zu sein. Das Gegenteil von Sicherheit ist Angst. Angst vor Krieg, vor Einbrechern, einem Unfall, vor der Scheidung.

Ein sichtbarer Ausdruck für das Bedürfnis nach Sicherheit sind Zäune. Zäune zeigen, wie viel und welche Art Sicherheit ich brauche. Wie nah darf der andere mir kommen? Ist Durchgucken durch einen Drahtzaun noch erlaubt? Oder besser blickdicht, hohe Hecke, Mauer? Und wenn da gar kein Zaun ist, nicht mal eine niedrige Buchsbaumhecke, einfach nichts, ist das dann die totale Offenheit? Oder traut sich nur jemand nicht, Grenzen zu ziehen und sein Ich zu behaupten?

Das Zweitwichtigste im Leben ist also Sicherheit. Vermutlich der Grund, warum wir so gerne festhalten an dem, was wir haben. Mein Job macht mir schon lange mehr keinen Spaß, aber das Gehalt ist sicher. Mein Partner und ich, zusammengepasst haben wir eigentlich noch nie. Aber scheiden lassen? Nein. Statt eines fremden Glücks wähle ich lieber ein Unglück, in dem ich mich auskenne. Maßvoll unglückliche Beziehungen sind die stabilsten, sagen Statistiker. Sicher ist sicher. Oder gibt es einen Weg raus aus dem Vorgarten meiner Ängste?  Wie viel Sicherheit brauche ich? Was ist für mich das Wichtigste im Leben?

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