Life Letter No. 5

Warum möchte ich so sein, wie ich nicht bin?

Kinder verkleiden sich für ihr Leben gerne. Erwachsene auch, an Fassenacht, zum Oktoberfest, zu Halloween. Immer steckt der Wunsch dahinter, zumindest vorübergehend jemand anderes zu sein als wer man ist. Wobei, viele Menschen wissen gar nicht, wer sie sind, innerlich. Sie wissen nur, dass sie auf jeden Fall anders sein wollen, weil sie glauben, dass sie falsch sind, wenn sie sich als die zeigen, die sie wirklich sind.

Der Familienaufsteller Wilfried Nelles, der den Lebens-Integrations-Prozess entwickelt hat, nimmt gerne den Baum als Beispiel, um das Problem zu verdeutlichen. Am Anfang, wenn der Samen in die Erde kommt, weiß ich noch gar nicht, welcher Baum ich einmal sein werde. Jahre später blicke ich an mir hinab. Ich wollte immer eine schlanke Birke sein und jetzt sehe ich, dass ich eine stämmige Eiche bin. Das kann doch nicht sein! Was soll ich tun?  Diät? Verkleiden? Nicht mehr raus gehen?

Einverstanden zu sein mit mir selbst, das setzt Selbstliebe voraus. Um die zu erreichen, raten manche Ratgeber, im Badezimmer zehn Minuten nackt vor den Spiegel zu stehen und sich dabei gleichzeitig zu lieben. Das ist viel verlangt. Vielleicht erstmal der kleine Spiegel? Jedenfalls, wenn es nicht klappt, bin nicht ich falsch, ich genüge nur meinem Ideal nicht. Aber wo kommt das her? Ist mein Ideal wirklich ideal? Wenn ich es schaffe, herauszubekommen, warum ich so sein möchte, wie ich nicht bin, ist das der erste Schritt auf dem Weg hin zu dem Baum, der ich wirklich bin.

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