Life Letter No. 8

Warum ist Weihnachten so schön?

Wieder so richtig Kind sein! Was war das früher schön in der Weihnachtszeit. Da gab es Lebkuchen und Lametta, und das Kind sah unterm Weihnachtsbaum in die leuchtenden Augen seiner gerührten Eltern. An Heiligabend war alles voller Geschenke und voller Überraschungen. 

Wobei, wenn ich anfange nachzudenken – so ab neun Jahren wollte ich auf keinen Fall mehr überrascht werden. Ich war zwei Mal von den Scheidungen meiner Eltern überrascht worden. Überraschungen waren für mich immer böse Überraschungen. Deshalb wollte ich bei meinen Weihnachtsgeschenken lieber sicher sein und vorher wissen, was ich geschenkt bekommen würde. Dabei, ich konnte mir ziemlich sicher sein, dass ich bekam, was ich mir wünschte, wenn ich mir das Richtige wünschte. Etwas Vernünftiges. Also etwa einen Chemiebaukasten oder einen Spielcomputer. Und nicht ein Bravo-Abo oder sowas Verrücktes. Um aber ganz sicher nicht überrascht zu werden, packte ich die Geschenke, die meine Mutter immer im Schlafzimmerschrank versteckt hatte, vorher aus. Sah sie mir an, spielte ein wenig damit und packte sie so originalgetreu wieder ein, dass sie nichts merkte. Merkte sie wirklich nichts? Wenn, dann ließ sie es mich jedenfalls nicht merken. So waren wir beide ganz sicher vor Überraschungen.

So paradox es klingt: Der Erfolg von Weihnachten beruht darauf, dass es keine Überraschungen gibt. Wenn vom Menü über die Geschenke bis zur Christmette alles punktgenau geplant ist, dann gibt das Sicherheit, und diese Sicherheit ist – nüchtern gesprochen – die Voraussetzung dafür, dass sich echte Weihnachtsmagie entfalten kann. Nur wer nichts Außergewöhnliches erwartet, kann von einem Wunder überrascht werden. Frohes Fest!

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